Der soziale Prozess

In den Threads Über die Wichtigkeit und Trava-Umverteilungsprozess hat sich herausgestellt, dass dem sozialen Prozess zwischen den Tätigkeitsmustern, das heißt um die Verwendung der Mittel noch nicht genügend Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Ich denke, das ist aber ganz wesentlich um Reputation bzw. Trava - in welcher Form auch immer neu zu denken und außerdem den Fokus wieder auf einen weiteren wesentlichen Aspekt der Software zu legen: Die Organisation von Commons und damit einhergehend die Transparenz von Commons-betreffenden Absprachen.

Ich würde gerade den kompletten vierten Teil nochmal über Board werfen und vom sozialen Prozess her neu ansetzen. In diesem Thread kann diskutiert werden, wie wir diesen sozialen Prozess unterstützen können und welche Auswirkungen er auf die Softwarestruktur hat.

Das sind gerade die ersten Zeilen aus dem neuen Ansatz. Also Teil 4, Kapitel 1.

"Egal wie wir unsere Software-Vermittlungsstrukturen auch immer aufbauen, stehen wir vor einem Problem, das keines ist: Wir haben es mit Commons zu tun. Und Commons lassen sich nicht so einfach verplanen, wie wir das manchmal gerne hätten. Commons sind kein Eigentum und zwar in jedem Augenblick . Und jedes Mittel, das über einen Commoning-Prozess verfügbar gemacht wird, trägt die rechtliche Form eines Commons – das ist eine absolute Bedingung, damit die Commoning selbst seine gesellschaftlich wirksame Kraft entfalten kann.

Wenn ein Mittel ein Commons ist, dann ist niemand strukturell von seine Verwendung ausgeschlossen. Zwar können Absprachen und Regeln zu seiner Verwendung getroffen werden, allerdings können diese auch jederzeit hinterfragt und an die Bedürfnisse derjenigen angepasst werden, welche diese ebenfalls benötigen. Konkret bedeutet das: Wir bauen Konfigurationen auf und zwischen den Tätigkeitsmustern stehen immer die Mittel, welche diese verbinden. Aber wenn eine Tätigkeit abgeschlossen ist und ein Mittel als Resultat zur Verfügung steht, dann ist es noch keine ausgemachte Sache, wie es verwendet wird – wie ein Commons verwendet wird, muss innerhalb eines sozialen Prozesses geklärt werden. Was uns also hier interessiert ist die lebendige Welt zwischen den Tätigkeitsmustern.

Auf Softwareebene wissen wir, wo ein bestimmtes Mittel Verwendung finden kann - außerhalb der Software wissen wir das nicht. Das heißt, der soziale Prozess entsteht auf Softwareebene zwischen den Personen, welche das Mittel zur Verfügung gestellt haben und den Personen, welche das Mittel als Bedarf für ihre eigene Tätigkeiten angegeben haben. Da die Mittel aber immer auch Teil der Welt außerhalb der Softwarestruktur sind, muss der soziale Prozess all die Personen mit einbeziehen, welche das Mittel verwenden wollen, aber ihre Tätigkeit nicht über die Software vermitteln. Und auf einen sozialen Prozess dürfen wir als Entwickler:innen und Konzeptor:innen keinen Einfluss haben, sollten ihn aber soweit es in unserer Möglichkeit liegt unterstützen, um ein effizientes und faires Commoning zu gewährleisten."

2020-04-29_sozialer Prozess

PS: Falls jemand Verbesserungsvorschläge für solche Grafiken hat, dann immer gerne her damit. Ich kann auch immer die svg mit hochladen. Ich finde einfach, die Verwendung von so einem Tool macht erheblich Sprachfähig.

Ich habe mich bei Johann, ein Anwalt im Commons-Intitut, mal erkundigt, wie es eigentlich mit der Rechtsform von materiellen Dingen im Bereich des Commonings aussieht:


Marcus:

"[…] Mich juckt schon länger eine Frage
und vielleicht kannst du mir da helfen. Ich hoffe, sie ist leicht zu
beantworten:

Für digitale Commons haben wir ja Lizenzen - zum Beispiel das copyleft
oder eben die Creative-Commons-Sachen. Aber wie ist das rechtlich mit
materiellen Dingen, deren Verwendung als Ware ausgeschlossen wird und
die Prozessen der direkten Bedürfnisbefriedigung untergeordnet sind? Die
also nur als Commons verwendet werden dürfen? Gibt es da Möglichkeiten,
Dinge im heutigen System von ihrem Eigentumscharakter zu befreien bzw.
gibt es Entwürfe, die über das heutige System hinausdeuten?"


Johann:

[…] Grundsätzlich nein, jemand ist eben Eigentümer. Dazu siehe auch Wikipedia zu Commons:

“Mitunter werden Commons mit Gemeineigentum, das heißt mit Kollektiveigentum, gleichgesetzt. Dieses zeigt sich in unterschiedlichen Formen, wie etwa Genossenschaften, Aktiengesellschaften oder Stiftungen. Tatsächlich ist Gemeineigentum häufig die eigentumsrechtliche Grundlage von Commons. Allerdings können Commons auch auf Grundlage von Privateigentum umgesetzt werden, denn entscheidend ist, wie die konkreten Nutzungsregeln gestaltet sind. So kann ein Haus de jure Privateigentum sein, aber es wurde de facto langfristig in gemeinschaftliche Nutzung und Verantwortung übergeben (wie etwa vom Mietshäuser Syndikat realisiert)”

Es geht also bei Rechtskonstruktionen für Commons zB darum, wie der Rechtsträger verfasst wird, der als Eigentümer fungiert. Da gibt es verschiedene Modelle mit jeweils Vor- und Nachteilen. Kommt immer auf den Kontext, Bereich und Beteiligte an, wie man dem Commoning am wenigsten durch die Rechtskonstruktion entspricht."

Auch Helfrich/Bollier hierzu: „Angesichts dieser Rahmung [geschlossen/offen] überrascht es nicht, dass viele Menschen meinen, Commons seien allgemein und prinzipiell „offen“. Zudem verwechseln sie „offen“ mit „frei“ im Sinne von kostenlos, so als ginge es bei Commons darum, dass sich alle an allem kostenlos bedienen können. Dem ist nicht so […]. Sinn und Zweck eines Commons ist, gemeinsame Verfügung und die Vorteile für alle Beteiligten zu maximieren. Dies erfordert durchdachte und situationsspezifische Zugangs- und Nutzungsregeln.“ ( Frei, Fair und Lebendig, S.70)

Ich denke, das heißt 1., dass wir uns irgendwann näher mit Rechtskonstruktionen befassen müssen (oder noch besser: jemanden finden, der/die das für uns macht–> offene Aufgaben) und 2. dass doch nicht jede Person einfach mitreden kann, wie ich das hier anfangs dargestellt habe. Die Nutzungsregelungen eines Mittels, das über Commoning verfügbar gemacht wurde, sollen die Vorteile für jede:n maximieren und endlose Diskussionen (das habe ich gerade im Kopf) können da auch im Weg stehen. Und vielleicht hat die Person, die das Brot in der oberen Grafik gebacken hat, das wirklich für eine bestimmte Gruppe gemacht, in der eben nicht jede:r mitreden kann, sondern der soziale Prozess nur in dieser Gruppe abläuft.

Die Frage, die ich mir gerade stelle, dreht sich immer noch darum, wie wir eine Fairness zwischen Personen, die sich über die Software vermitteln und solchen, die sich nicht über die Software vermitteln herstellen können. Ich denke, dass es darum geht, in die Gruppe aufgenommen zu werden, die am sozialen Prozess zur Verwendung eines über Commoning verfügbar gemachten Mittels teilhaben kann. Aber hierzu gibt es eben schon eine Grenze bzw. eine halbmembrane Grenze, wie das Helfrich/Bollier irgendwo (wenn es jemanden interessiert, finde ich das bestimmt wieder) in Frei, Fair, Lebendig irgendwo beschreiben.

Alles, schwierig. Und dass es keine einheitliche Commons-Definition gibt, macht alles noch schwieriger.

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