Prinzipien von Konzeption und Umsetzung

In letzter Zeit habe ich gemerkt, dass ich mich beim Nachdenken über das Projekt immer mehr an Prinzipien halte, die aber nicht ausformuliert sind und Leser:innen auch zwischen den Zeilen finden müssen. Genauso in Diskussionen des letzten Jahres ist mir ab und an aufgefallen, dass Projekt-Beteiligten bestimmte Prinzipien wichtig sind, aber diese nicht einfach zu finden sind. Ich glaube, es wäre zur Außenwirkung sehr stark diese Prinzipien, an die wir uns so oder so halten, festzuhalten und auch so nach außen tragen zu können. Da steckt m.M.n. nochmal eine ganz eigene Kraft drin, die über z.B. Einführungen in die Software-Struktur nicht vermittelt werden kann.

Ich hab die letzten Wochen jedenfalls nebenbei an einem Versuch gearbeitet. Der erste Teil betrifft die Konzeption, der zweite die Umsetzung. Wenn das diskutiert wurde und in Ordnung ist, würde ich das im ersten Teil der Textreihe aufnehmen:


Stand: 21.11.2021, kleine sprachliche Veränderung 25.11.21

Prinzipien der Konzeption

  1. Keine Diskriminierung anderer Formen des Gemeinschaffens

Gemeinschaffen geschieht auf vielfältige Weise und die hier konzipierte Vermittlungsform soll ein Werkzeug sein, um bestimmte, gegenwärtige Probleme des Gemeinschaffens zu lösen. Über die Vermittlungsform kann die Organisation des Gemeinsamen unterstützt werden, aber darin getroffene und andere betreffende Entscheidungen müssen nach außen kommuniziert werden und von außen beeinflussbar sein.

  1. Die Vermittlung ist Personen-zentriert und wertneutral

So wie Bedürfnisse und Erfahrungen individuell sind, ist es auch der Wille sich in bestimmte Prozesse einzubringen oder sich davon fernzuhalten. Durch die Vermittlungsform soll sowohl eine weitgehende Unabhängigkeit von persönlichen Beziehungen als auch ein Wirken nach eigenen Vorstellungen unterstützt werden. Wer seinen eigenen Vorteil sucht, soll ihn im Rahmen gemeinschaffender Strukturen finden können.

  1. Jede Entscheidung zur Organisation geschieht bewusst

Innerhalb der Vermittlungs- und Organisationsform können Vorschläge automatisch generiert und Personen zugeordnet werden; alle Entscheidungen allerdings werden durch reale Personen getroffen, alle Konflikte zwischen solchen geklärt.

  1. Die Verhältnisse der Gegenwart respektieren

Gesellschaftliche Transformation ist das Ziel, welches unter gegenwärtigen Bedingungen stattfindet. Es wird nicht auf imaginierten idealen Verhältnissen aufgebaut, sondern Potentiale des Gegebenen benutzt, um ein mögliches und gemeinsames Morgen zu erreichen.

Prinzipien der Umsetzung

  1. Offene Quellen nutzen und verbreiten

Offene Quellen integrieren und dahinterstehende Projekte fördern, statt mit ihnen in Konkurrenz zu gehen. Eigens Geschaffenes soll als Quelle anderen zur Verfügung stehen und unabhängig von dem eigenem Anliegen funktional sein. Die Entwicklung geschieht unter Freien Lizenzen.

  1. Der Zentralität entgegenwirken

Die Konzeption wird als eine Zusammenspiel verschiedener Werkzeuge umgesetzt, die einzeln oder in verschiedener Zusammenstellung angeboten werden. Nutzer:innen sollen die alleinige Kontrolle über die ihnen zugeordneten Daten inne haben und diese Daten sollen an jedem Knotenpunkt der Infrastruktur für diese verfügbar sein.

  1. Das Übertroffen-werden feiern

Abhängigkeit von diesem Projekt soll so weit wie nur möglich vermieden werden. Nicht das Projekt soll wachsen, sondern die Lebensform des Gemeinschaffens in ihrem Wachstum unterstützt werden. Allen fremden Entwicklungen, die zum selben Zweck funktionaler sind, sollen eigene Entwicklungen ersetzen. Das Ziel des Projektes ist die Selbstauflösung in wachsend emanzipatorischere Strukturen.

Alte Fassungen

Fassung 11.Oktober 2021
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Sehr spannend! Besonders, Punkt 4 scheint mir wichtig. Was passiert, wenn der Konflikt bleibt? Gibt es auch hier noch Möglichkeit zusammen tätig zu sein oder wird dann die Verbindung unterbrochen?

Hallo @Kontratanz, schön von dir zu hören und danke für die Rückmeldung!

Punkt 4 ist mir auch sehr wichtig und ich kämpfe jetzt schon länger mit der Formulierung und denke, dass sie noch nicht abgeschlossen ist. Ich sehe die Gefahr, dass zu viel “spezifische Funktionalität” hier reingebracht wird. Die Entscheidung zu sagen: “Wenn ein Konflikt bleibt, dann wird die Verbindung abgebrochen” würde ich z.B. als Design-Entscheidung bezeichnen und so etwas festzulegen, würde dann gleich gegen den nächsten Punkt “Entscheidungen im Software-Design werden ausgelagert” verstoßen. So wie ich das jetzt denke, kann so eine eben spezifische Funktionalität (Kontaktabbruch bei bestehenden Konflikt z.B.) Teil einer Distribution sein, aber sollte eben innerhalb der Vermittlungsform nicht vorgegeben sein.

Was ich mit Punkt 4 sagen will ist: Beteiligte sollen nicht gezwungen sein mit zehn ihnen vielleicht unbekannten Leuten am Tag zu chatten/irgendetwas abzuklären, wenn die von ihnen jeweils angegeben Informationen nicht im Widerspruch zueinander stehen (bzw. diese eben zueinander passen) und es eigentlich gar keinen unbedingten Grund gibt, dass sie sich absprechen müssen.

Das würde ich gerne elegant formuliert haben :wink:

Dass es bei einem Interessenskonflikt erst eine Art geführte a lá multiple-choice Kommunikation geben soll und wenn das nichts hilft im Notfall diese Leute wirklich miteinander sprechen müssen, muss so spezifisch vielleicht gar nicht in das Prinzip rein und wird sich dann in der Textreihe ergeben.

Ok. Da hatte ich wohl einen anderen Gedanken (bz. hab ich das von der anderen Medaillenseite betrachtet…). Ich finde das gut, weil wenn immer nur Konsens herrscht oder davon ausgegangen wird, dass Konsens herrscht oder Konsens erzwungen wird, keine wirkliche Teilhabe entsteht… Konflikte sind hier also nicht nur destruktiv, sondern konstruktiv und wichtig, weil ohne sie scheint es so zu sein, dass es keinen Grund gäbe miteinander zu sprechen.

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Mir gefällt die Zusammenstellung gut. Einige wenige Details können wir sicher noch mal mündlich beim Treffen anpassen, aber grundsätzlich ist das richtig gut. Vielen Dank!

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Aber ich finde, du hast da auch recht, das stärker auch in diesem Punkt zu betonen. Stefan (Meretz) macht das ja auch immer stark, dass eine Commons-Gesellschaft eine Konflikt-Gesellschaft ist und das eben konstruktiv ist. Wir wollen am Mittwoch die Prinzipien nochmal zusammen im Team durchgehen (vll so 15:30) und wenn du Lust und Zeit hast, schließ dich sehr gerne an. Dann finden wir vielleicht eine Formulierung, die sowohl eben dieses “nicht gestört werden” als auch das “konstruktive Konflikte” enthält. Aber wenn du keine Lust/Zeit hast, geht das im Gespräch auch nicht unter :wink:

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Toll. Bin am Mittwoch leider schon verplant, aber wie gesagt ich verfolge eurer Projekt wirklich sehr gerne!

Die Prinzipien wurden im ersten Beitrag ersetzt.

Änderungsprotokoll:

Die Punkte beziehen sich auf die neue Fassung oben.

  • Konzeption 1: Wortlaut verändert zur Klärung, dass es um Entscheidungen von Personen innerhalb der Software-Infrastruktur geht und nicht, um Entscheidungen der Software.

  • Konzeption 2: “Wertneutral” wurde hier hinzugefügt und im Text erklärt.

  • Konzeption 3: Ein neuer Punkt, um dem gängigen Missverständnis entgegenzuwirken, wir hätten irgendwas mit Künstlicher Intelligenz zu tun bzw. dass die Software irgendwas regelt.

  • Konzeption 4: Ein neuer Punkt, um einer verbreiteten Denkansatz entgegenzuwirken, in welchem von privaten Eigentum etc. abstrahiert wird. Die Software soll eine ‘Commons-Gesellschaft’ unterstützen, klar, aber eben auch die Vermittlung unter gegebenen Verhältnissen mit privaten Eigentum und entsprechenden Einschränkungen.

Die alten Punkte K3-K5 wurden weggelassen. K3 (Vermittlung geschieht auf Augenhöhe) war langweilig, K4 (Notwendige Kommunikation ist konfliktbasiert) ist eine Design-Entscheidung, welche im nächsten Punkt eigentlich gleich verboten wurde und K5 (Entscheidungen im Software-Design werden ausgelagert) ist ein bisschen zu speziell.

  • Umsetzung 2: Neuer Titel und Erklärung zum Ansatz der Umsetzung, statt einer Vorgabe von Technologie.

  • Umsetzung 3: Neuer Titel (mit dem ich so mittel zufrieden bin - aber besser als der alte) und Fokus darauf, dass es eben nicht um eine Loslösung von Software im allgemeinen geht (wurde in der Team-Besprechung als Möglichkeit interpretiert).