Nebenresultate und Erhaltungszustände
Bisher haben wir nur mit Tätigkeiten zu tun gehabt, welche sich direkt auf vermittelte Bedürfnisse beziehen und dabei Tätigkeiten außer acht gelassen, die notwendig sind, um eben solche Tätigkeiten zu gewährleisten. Die außer acht gelassenen Tätigkeiten sind solche, die Mittel erhalten und auch diese müssen in den Gesamtaufwand zur Befriedigung eines Bedürfnisses mit eingerechnet werden. Unter Mittel fällt an dieser Stelle auch die nicht-menschliche Natur (Tiere, Wälder, Flüsse, etc.), welche eben im gesellschaftlichen Re-Produktionsprozess als Mittel zum Zweck verwendet wird bzw. davon betroffen ist. Als Teil des Lebens, welches durch Commoning gefördert werden kann und soll, muss damit allerdings anders gehandhabt werden als mit etwa Maschinen oder anderem Werkzeug. Darauf wird im Kapitel → Bedürfnisvermittlung (empathisch) weiter eingegangen.
Ein Beispiel zur Verdeutlichung, warum das notwendig ist: Bei der Färbung von Textilien – etwa wieder unserem Leinengarn – werden im Regelfall Chemikalien mit angewendet, welche nicht vollständig in der Textilie aufgehen, sondern teilweise im Prozess übrig bleiben und beseitigt werden müssen. Ein völlig legitimes Tätigkeitsmuster dafür könnte heißen: „ Ausschütten der Chemikalie in einen Fluss“ . Ein Fluss in lokaler Nähe vorausgesetzt, wäre der reine Aufwand dieser Tätigkeit wohl unvergleichbar geringer als etwa die „Neutralisierung der Chemikalie“ durch Aufbau und Verwendung einer Abwasserbehandlungsanlage. Der Aufwand allerdings, um die Auswirkungen der Tätigkeit „ Ausschütten der Chemikalie in einen Fluss“ wieder zu beseitigen ist deutlich höher, als wenn sich der Chemikalie direkt angenommen wird. Dieser durch die Tätigkeit entstehende zusätzliche Aufwand muss daher im Gesamtaufwand berücksichtigt werden.
Über die Nebenresultate eines Tätigkeitsmusters wird eine Verbindung zwischen den Tätigkeiten hergestellt, welche sich direkt auf die Bedürfnisbefriedigung beziehen und solchen, die erst durch die Tätigkeit notwendig werden. Nebenresultate sind dabei entweder Zustandsveränderungen von Mitteln oder neue Mittel , die im Prozess entstehen, aber keinen Bedarf einer bestehenden Konfiguration decken. Sie beziehen sich entweder direkt auf die verwendeten Mittel oder sie beziehen sich auf Teile der nicht-menschlichen Natur, welche durch die Tätigkeit betroffen sind.
Am Beispiel des Tätigkeitsmusters zur Herstellung von Leinengewebe durch Webstuhl etc. (#HstLg) : Die Nebenresultate 0- B betreffen die als Bedarf angegeben Mittel 0-b ( Raum1, Webstuhl und Scherbaum ) und verändern den Zustand dieser Mittel durch Schmutz oder Abnutzung. Der Bedarf c ( Leinengarn ) dagegen verändert seine Form im Prozess und geht einerseits im Resultat Leinengewebe auf und bleibt anderseits als Nebenresultat C ( Spule) übrig. Nur das (symbolische) Mittel Bindungspatrone Leinengewebe bleibt durch den Prozess unverändert.
Die Zustandsveränderung eines Mittels bzw. das neue Mittel selbst erzeugt allerdings noch keinen neuen Aufwand. Neuer Aufwand entsteht erst, wenn das Mittel in einen bestimmten Erhaltungszustand zurückgeführt werden soll und dieser Erhaltungszustand muss zuerst definiert werden. Die Vorstellungen und Grenzen von Erhaltungszuständen können dabei voneinander abweichen; wenn es etwa um die Sauberkeit eines bestimmten Raumes oder die artgerechte Haltung eines bestimmten Tieres geht. Die Definition des Erhaltungszustandes muss daher in einem sozialen Prozess an den konkreten Mitteln bzw. den entsprechenden Teilen nicht-menschlicher Natur vorgenommen werden.1 Tätigkeiten zur Erhaltung von Mitteln können dabei aufschiebbar oder unaufschiebbar sein, was sich schließlich auf den → Abschluss des Konfigurationsprozesses auswirkt.
Folgende Punkte sind schließlich notwendig, damit in der Konfiguration und damit auch im Gesamtaufwand die Auswirkungen der Tätigkeiten mit einbezogen werden können:
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Es müssen Erhaltungszustände der konkreten Mittel definiert werden.
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Es muss definiert werden, wie sich Tätigkeiten auf verwendete und betroffene Mittel auswirken (Nebenresultate) und welche neuen Mittel dabei entstehen.
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Es muss definiert werden, welche Tätigkeiten geeignet sind, um bestimmte Mittel wieder in ihren Erhaltungszustand zurückzuführen.
Das Problem bei der Feststellung des Gesamtaufwandes einer Konfiguration ist, dass nicht genau festgestellt werden kann, wie sich denn die Tätigkeit tatsächlich auf die Mittel auswirken wird. Also, in etwa inwiefern ein Mittel durch eine Tätigkeit abgenutzt oder wie stark ein Mittel verschmutzt wird. Es muss daher auf Durchschnittswerte zurückgegriffen werden.
In der Nebenstehenden Grafik geht es wieder um die Herstellung der Leinwand (T1b1), deren Bedarf nach Leinengewebe wieder einmal nicht verfügbar ist, aber über eine einfache Ortsveränderung verfügbar gemacht werden kann (T1b1c1). Auf das vermittelte Bedürfnis bezogen wären diese beiden Tätigkeitsmuster ausreichend. Ein Nebenresultat der Leinwand-Herstellung ist allerdings die Zustandsveränderung des Raumes, welcher im Prozess schmutzig oder unordentlich werden kann. Der Raum muss also wieder zu seinem Erhaltungszustand zurückgeführt, sprich gereinigt werden (T1b1A1). Je nachdem, wie häufig bzw. wie intensiv der Raum gereinigt werden muss und wie viele andere Tätigkeiten in diesem Raum stattfinden, wird die entsprechende Tätigkeit einen unterschiedlichen durchschnittlichen Aufwand nach sich ziehen, der zum Gesamtaufwand hinzugerechnet werden muss.
In der Ortsveränderung des Leinengewebes durch einen PKW sind zwei Nebenresultate hervorgehoben: Die Abnutzung des PKWs und der Ausstoß von CO2 durch das Verbrennen von Benzin. Ersteres bezieht sich direkt auf den Zustand eines verwendeten Mittels (des PKWs), bei welchem entsprechend geregelt werden muss, wie oft dieser überprüft/gewartet werden sollte. Auch hier werden auf das jeweilige Modell bezogene Durchschnittswerte benötigt, die sich mit der Zeit einpendeln können. Wenn sich ergibt, dass für ein bestimmtest Modell alle 10.000km Reparaturen ergeben, die im Durchschnitt und unabhängig von der konkreten Form der Reparatur 10 Stunden andauern, dann kann dieser anteilige Aufwand der Verwendung des PKWs gemäß der gefahrenen Strecke der Tätigkeit T1b1c1 zugeschlagen werden.
Der Ausstoß von CO2 in die Atmosphäre betrifft prinzipiell alle Menschen und von der Regelung des Erhaltungszustandes der Atmosphäre darf daher niemand strukturell ausgeschlossen sein; was schließlich einen → sozialen Prozess einer besonderen Art notwendig macht. Wenn aber ein solcher Erhaltungszustand definiert wurde, dann braucht es immer eine Tätigkeit, welche den CO2-Pegel wieder senkt, falls er durch eine Tätigkeit steigt. Und der Aufwand dieser Tätigkeiten zur Reduzierung des CO2-Wertes muss also zum Aufwand der Tätigkeit der Ortsveränderung ebenso hinzugerechnet werden. Erst so zeigt sich, welchen Gesamtaufwand der Prozess zur Befriedigung eines Bedürfnisses die Ortsveränderung des Leinengewebes (durch einen PKW) wirklich nach sich zieht.
Im Bezug auf die Nebenresultate lässt sich herausstellen, welche Tätigkeitsmuster einen vergleichsweise geringen Gesamtaufwand mit sich bringen:
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Tätigkeitsmuster, die auf langlebige Mittel zurückgreifen.
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Tätigkeitsmuster, die auf Mittel zurückgreifen, welche leicht in ihren Erhaltungszustand zurückgeführt werden können.
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Tätigkeitsmuster, bei deren Ausführung tendenziell wenig und bevorzugt leicht recycelbaren Müll produziert wird.
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Tätigkeitsmuster, deren Ausführung energiesparend ist.
Durch den Einbezug der Nebenresultate einer Tätigkeit und den entsprechenden Erhaltungszustand von Mitteln, ist ein unaufwändige Konfiguration auch tendenziell eine nachhaltige Konfiguration. Da im → Konfigurationsprozess der Aufwand von Tätigkeiten ausschlaggebend zur Freischaltung von Tätigkeitsmustern ist, kann hierdurch eine gesellschaftliche Bewegungstendenz zur vermehrten Ausführung von Tätigkeiten mit genau diesen Eigenschaften entstehen.
1 In den Mittelmustern können selbstverständlich Vorlagen gespeichert sein, mit denen sich die Erhaltungszustände der konkreten Mittel, welche diesen Mittelmustern untergeordnet sind, leichter definieren lassen.
1 Wie im zweiten Teil der Textreihe angemerkt, wird von dem „Raum“ als Bedarf der Einfachheit halber meist abstrahiert, wodurch allerdings in den Konfigurationen notwendige Tätigkeiten wie „Putzen“ unsichtbar bleiben. In der Software selbst werden derlei Tätigkeiten wie selbstverständlich sichtbar, wenn auch im weiteren Verlauf der Textreihe weiter von deren Darstellung abgesehen wird.